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Gesundheitsdaten und E-Health in Dänemark

Persönliche Medikamentenübersicht, Informationen aus der elektronischen Patientenakte von Spitälern, Laborbefunde, Impfdaten und Abfrage der medizinischen Vorgeschichte – all diese Möglichkeiten bietet das dänische E-Health-Portal «sundhed.dk». Eine Erfolgsgeschichte.

Jakob Uffelmann, Innovationsdirektor beim dänischen E-Health-Portal sundhed.dk

17. Februar 2020

Vertrauen ist ein ausgeprägter Wesenszug der dänischen Kultur: Die Bürger trauen den Behörden und deren Umgang mit persönlichen Vitaldaten. Das dänische E-Health-Portal wird deshalb als sicherer Hafen in einem manchmal chaotischen E-Health-Markt angesehen. Diese Wahrnehmung als sicherer Hafen basiert auf dem grossen Vertrauen in die Institutionen und den öffentlichen Sektor im Allgemeinen. Und sie zeigt, dass die Bevölkerung auch dem gut etablierten Sicherheitssystem von sundhed.dk (Sundhed ist das dänische Wort für Gesundheit) vertraut. Man glaubt an ein Gesundheitswesen, das von demokratisch gewählten Politikern auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene im Sinne der Bevölkerung geregelt wird. Es erstaunt also nicht, dass das staatlich organisierte und finanzierte E-Health-Portal sundhed.dk eine stetig steigende Nutzerzahl hat. Im Jahr 2018 verzeichnete das Portal monatlich 1,7 Millionen «Unique Visitors» – bei einer Bevölkerungszahl von 5,8 Millionen. Allerdings ist klar: Es braucht weiterhin grossen Einsatz aller Beteiligten, um diese Vertrauenskultur aufrechtzuerhalten. Deshalb hat in Dänemark die Datensicherheit insbesondere im E-Health-Bereich einen hohen Stellenwert.

Stärkung von Patienten und Gesundheitspersonal

Durch die vielfältigen Möglichkeiten und den leichten Zugang zu persönlichen Gesundheitsdaten ist sundhed.dk in Dänemark die innovativste und wichtigste digitale Lösung zur Förderung der Eigenverantwortung von Patienten. Sie trägt so indirekt auch zur Kostenreduktion bei Arbeitsabläufen im Gesundheitswesen bei. Die neue, im Januar 2018 eingeführte dänische E-Health-Strategie hebt Gesundheitsdaten als essenziell für Qualitätsverbesserungen und Gesundheitsforschung hervor – zwei wichtige Treiber der Weiterentwicklung im Gesundheitswesen. Initiativen zur Steigerung der Patientenmitwirkung und zur Kostenreduktion von Arbeitsabläufen nehmen zu. Wenn man bedenkt, dass gemäss einer Schätzung der OECD die Betriebskosten um 15 bis 20 Prozent reduziert werden könnten, würden Behörden Daten systematisch zur Verbesserung ihrer Arbeitsabläufe einsetzen.

In ganz Dänemark tauschen Gesundheitsfachpersonen und sogar Patienten Gesundheitsdaten aus allen Bereichen untereinander aus. Ausserdem können Patienten ihren Verwandten den Zugang auf ihre Daten erlauben. Medizinische Unterlagen, Labordaten, Medikamente, Impfungen und Weiteres stehen den Leistungserbringern auf diese Weise zur Verfügung, sind im Sinne der Transparenz und Mitwirkung aber auch für Patienten zugänglich. Das hat Vorteile: Die Patienten sehen ihre Daten ein und nutzen sie, um sich zu informieren, einen besseren Dialog mit medizinischen Fachkräften zu führen oder um Verwandten im Umgang mit ihren gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu helfen.

Eine flexible Infrastruktur macht dies möglich

Das dänische Modell von E-Health beruht auf dem Prinzip, besser die Wiederverwendung von bestehenden Ressourcen zu fördern, als ein neues System aufzubauen. Dadurch können die Anspruchsgruppen am angestrebten Ziel arbeiten und nebenbei Geschäftswert liefern. Der Fokus liegt darauf, anderen Beteiligten Ressourcen in der bestehenden Form zur Verfügung zu stellen sowie Standards für Semantik, Interoperabilität und Kooperation zu definieren, wenn etwas gut funktioniert hat. Dies ist eine andere Herangehensweise, als bereits vor dem Start eines Projekts alles zu definieren. Sie hat sich im dänischen Umfeld seit mehr als 20 Jahren bewährt.

Die DNA des dänischen E-Health-Modells liegt im Aufbau von Ökosystemen, in denen verschiedene Systeme, Standards und Daten nebeneinander existieren und den Nutzern Mehrwert bieten können. Gesteuert durch gegenseitige Vereinbarungen und Geschäftsbedürfnisse, stellen diese Ökosysteme Patienten, Forschern, der Industrie und medizinischem Fachpersonal Daten zur Verfügung. Durch den Austausch bereits bestehender Daten können Projekte ohne jahrelange Vorbereitung lanciert werden. Zudem haben die Verantwortlichen einen klaren Überblick über die Gesundheitsdaten, ohne dass diese vor einer gemeinsamen Nutzung erst noch bereinigt oder angepasst werden müssen. Dieses Paradigma des Datenaustauschs hat das Gesundheitssystem, die Forschung und die Life-Sciences-Industrie Dänemarks in eine Weltklasseposition gehoben.

Schutz der Privatsphäre

Der Austausch derart grosser Mengen an Gesundheitsdaten über die Bürger ist mit einer grossen Verantwortung verbunden. Dementsprechend sind Sicherheit, Schutz der Privatsphäre und Integrität ein fester Bestandteil des dänischen Systems. Täglich kümmern sich zahlreiche Personen darum, die Daten zu schützen und sicherzustellen, dass das Vertrauen in das System aufrechterhalten bleibt. Ein einziges Datenleck könnte die Unterstützung seitens Bevölkerung und Politik aufs Spiel setzen.

Allerdings gilt es nicht bloss, die Systeme und Daten gegen Hacker und andere Formen von Datenlecks zu schützen. In einem System, in dem ununterbrochen Daten geteilt werden, sind weitere Massnahmen unabdingbar. Als Patient diesem System zu vertrauen, bedeutet schliesslich auch, Gewissheit zu haben, dass die Daten ausschliesslich von den richtigen Personen zum richtigen Zweck verwendet werden. In Dänemark können medizinische Fachpersonen bei der aktiven Behandlung der Patienten Daten ohne deren Einwilligung nutzen – dies erfordert Kontrolle und Transparenz.

Eine der Massnahmen dazu ist das leistungsstarke Tool «My Log». Auf dieses Instrument kann jeder Bürger via sundhed.dk zugreifen. Auf «My Log» sehen die Bürgerinnen und Bürger, wer auf ihre Daten zugegriffen hat, wann das war und von wo aus. Dies ermöglicht ihnen, bei Verdacht auf Datenmissbrauch einzugreifen und mit den zuständigen Behörden zu klären, warum diese Daten abgefragt wurden. Gegebenenfalls können sie rechtliche Schritte gegen den Missbrauch einleiten. In jedem Fall unterstützt das System die Bürger – niemand wird alleine gelassen. Die für die Daten zuständige Organisation ist verpflichtet, in solchen Fällen zugunsten der Bürger tätig zu werden.

Wachsendes Interesse an sundhed.dk

In den vergangenen Jahren ist das Interesse an der sundhed.dk-Lösung kontinuierlich angestiegen: Über 35 Länder weltweit, EU, WHO sowie auf Health-IT ausgerichtete Organisationen suchten den Dialog, um allenfalls ein ähnliches Modell zu etablieren. Und Dänemark zögert nicht, seine Erfahrungen zu teilen. Ende 2017 wurde dazu ein neues Spin-out – Sundhed.dk International Foundation – gegründet mit dem Ziel, anderen Ländern oder Gesundheitsorganisationen beim Aufbau kostengünstiger und vertrauenswürdiger E-Health-Lösungen behilflich zu sein. Die erfolgreiche Einführung von sundhed.dk im Jahr 2003 beruht auf einer Reihe von Schlüsselfaktoren wie einer gemeinsamen, ehrgeizigen nationalen E-Health-Strategie und einer kohärenten, öffentlichen Finanzierung mit dem Zweck, Kosten zu reduzieren. Die Vertrauenskultur, die Erwartungen an Offenheit und Transparenz, das hohe Vertrauen in die Behörden und ihren Umgang mit persönlichen klinischen Daten – all dies sind wichtige Faktoren für den Erfolg.

Wo Bürger und das Gesundheitswesen aufeinandertreffen, werden automatisch Gesundheitsdaten generiert. Dabei besteht ein gemeinsames Interesse, von diesen Daten zu profitieren und die Ergebnisse zu optimieren. Bürger «geben» dem System Daten, und ihnen werden Daten «zurückgegeben» – indem die Digitalisierung Einblicke und Transparenz schafft und mehr Mitsprache möglich macht.

Ein einziger Zugangspunkt

Technologisch gesehen beruht sundhed.dk auf der Idee eines «einzigen Zugangspunkts», d.h., Informationen und Daten von lokalen Systemen werden wiederverwendet und angezeigt. Sundhed.dk ist ein Integrationspunkt, der eine Übersicht bietet. Die wirtschaftliche Absicht hinter sundhed.dk ist es in erster Linie, Hausärzte in ihrer «Gatekeeping»-Funktion zu unterstützen: Statt Patienten in Spitäler einzuweisen, sollen Prävention sowie die Behandlung zu Hause im Vordergrund stehen. Gleichzeitig soll eine digitale Lösung den Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen, durch die Einsicht in die persönlichen Gesundheitsdaten bereits vorhandene Ressourcen aktiv zu nutzen.

Sundhed.dk ist ein Vorbild für die Nutzung digitaler Technologien. Das Portal verschafft den Bürgern Transparenz und Offenheit über ihre eigenen Daten und fördert dadurch Veränderungen und Verbesserungen im Gesundheitswesen.

Jakob Uffelmann

Jakob Uffelmann ist Director of Innovation beim staatlich organisierten und finanzierten E-Health-Portal sundhed.dk. Ausserdem ist er CEO der Sundhed.dk International Foundation. Diese hat das Ziel, den Aufbau kostengünstiger und vertrauenswürdiger E-Health-Lösungen in anderen Ländern zu unterstützen.

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