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Spitalplanung für mehr Patientennutzen

Spitäler sollen leicht zugänglich sein und eine vergleichbare Qualität bei planbaren Behandlungen und Notfällen bieten. Um das zu erreichen und die Ressourcen effizient einzusetzen, bedarf es einer ausgereiften Spitalplanung.

Alexander Geissler, ist Professor für Management im Gesundheitswesen an der Universität St. Gallen.

14. Oktober 2020

Spitalstrukturen sind besonders vor dem Hintergrund von Leistungsfragmentierung, Qualitätsvariation und Überversorgung in vielen europäischen Ländern weit oben auf der politischen Agenda. Die Schweiz hat im Vergleich zu ihren Nachbarländern früh damit begonnen, einen grundlegenden Paradigmenwechsel in der Spitalplanung einzuleiten. Weg von der unspezifizierten Bettenplanung auf Fachgebietsebene, hin zu einer Planung konkreter medizinischer Leistungsgruppen und -bereiche. Diese Leistungsorientierung ist grundlegend, um eine transparente Bewertung der aktuellen Versorgungssituation vorzunehmen, und der Ausgangspunkt für weitere Initiativen in der Spitalplanung.

Auf Basis von Leistungsgruppen kann eine differenzierte Bedarfsanalyse und -prognose unter quantitativer Berücksichtigung relevanter Einflussfaktoren (z.B. regionale Demografie und Morbidität) durchgeführt werden. Durch den Abgleich von aktuellem Versorgungsangebot mit dem eigentlichen (zukünftigen) Bedarf lassen sich Tendenzen einer Über-, Unter- und Fehlversorgung auf regionaler Ebene identifizieren. Das ermöglicht ein entsprechendes Gegensteuern.

Wesentlich ist zudem die Integration von verbindlichen Qualitätsvorgaben innerhalb der Leistungsgruppen. Das ist der Hebel, um die Versorgungsstruktur auf Leistungsgruppenebene zu steuern. Daher müssen die Qualitätsvorgaben medizinisch relevant für die und verknüpfbar mit der Leistungsgruppe sein, eine standardisierte sowie methodisch sichere Erhebung ermöglichen, kontrollierbar und durch das Spital beeinflussbar sein und möglichst Fehlanreize vermeiden. Diese Kriterien treffen zunächst vor allem auf Struktur- und ausgewählte Prozessvorgaben, aber auch auf Mindestfallzahlen zu. Die Kantone setzen Qualitätsvorgaben bisher jedoch unterschiedlich in Umfang und Ausprägung ein.

Für die Schweiz ergeben sich nunmehr drei Herausforderungen. Erstens ist der Bedarf je nach Leistungsgruppe regional bzw. national zu analysieren und zu prüfen, ob die vorhandenen Versorgungsstrukturen diesem nach Massgabe a priori definierter Erreichbarkeitsziele gerecht werden. Zweitens sind die Qualitätsvorgaben zu harmonisieren, um regional qualitativen Unterschieden entgegenzuwirken. Drittens gilt es, im Anschluss die richtige Balance zwischen Qualitätsvorgaben und deren Auswirkungen auf die Erreichbarkeit zu finden. Dies bedeutet zwangsläufig eine engere Abstimmung zwischen den Kantonen bzw. im Idealfall eine kantonsübergreifende gemeinsame Spitalplanung, bei der vor allem der Bedarf, die Erreichbarkeit und das Qualitätsniveau im Vordergrund stehen.

Alexander Geissler

ist Professor für Management im Gesundheitswesen an der Universität St. Gallen. Er beschäftigt sich mit Fragen zur Gesundheitsökonomie, Versorgungs- und Gesundheitssystemforschung.

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