Kantonale Steuerung im Blindflug

Nun sollen es die Kantone richten. Sie sind jetzt für die Zulassungsbeschränkung der neuen Ärztinnen und Ärzte zuständig, die auf ihrem Kantonsgebiet in Praxen und Gesundheitszentren tätig sind. Daher müssen die Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren Höchstzahlen für die medizinischen Fachgebiete definieren.
Der Fachkräftemangel gefährdet das System
Im Gesundheitswesen wird vor allem über Finanzen diskutiert. Aber in Zukunft wird der Mensch die knappste Ressource sein.

Mit diesem Bürokratiemonster ist eine sinnvolle Allokation der Ressourcen im Bereich der ambulant erbrachten Gesundheitsleistungen kaum möglich. Denn niemand weiss, wie hoch die durchschnittliche Arbeitszeit von Ärztinnen und Ärzten ist. Die Datenlage dazu ist mehr als dünn. Als Massstab für die Festlegung von Höchstzahlen gelten Vollzeitstellen. Da beginnt das Kuddelmuddel. Statistiken aus dem Jahr 2020 liefern nämlich völlig widersprüchliche Ergebnisse. 16 250 Vollzeitstellen gab es laut dem Ärzteverband im Praxisbereich. 18 016 Vollzeitstellen waren es gemäss Bundesamt für Statistik.
Beide Befragungen beruhen wegen unvollständiger Rücklaufquoten auf Hochrechnungen. Um trotz der mangelhaften Datenlage Höchstzahlen für einzelne Fachgebiete definieren zu können, müssen die Kantone bis 2025 kompliziert zusammengeschusterte Berechnungen anstellen. Das ist nicht zielführend.
«Niemand weiss, wie hoch die durchschnittliche Arbeitszeit von Ärztinnen und Ärzten ist.»
Roman Seiler
Mit den vorhandenen Daten lässt sich weder präzis eruieren, wo es einen Mangel an Grundversorgern gibt, noch, wie viele Ärztinnen und Ärzte wirklich fehlen. Das gilt auch für die Ressourcensteuerung im Bereich der Spezialistinnen und Spezialisten. Sie verfügen oft über Bewilligungen in mehreren Kantonen. Zudem gibt es grosse Überschneidungen zwischen ambulantem und stationärem Bereich in Spitälern. Für sie arbeiten auch Fachärzte mit Praxen. Spitalärzte übernehmen Dienstleistungen für die Ambulatorien der Krankenhäuser. Zudem ist unklar, wie hoch der Anteil der ambulant erbrachten Leistungen von Assistenz- und Unterassistenzärzten in Spitälern ist.
Obendrein zementiert diese Ressourcensteuerung ein zentrales Problem: Ärztinnen und Ärzte, die bis anhin ihre Behandlungen zulasten der obligatorischen Krankenversicherung verrechnen, dürfen dies weiterhin tun. Ungeachtet dessen, ob sie Patientinnen und Patienten gut und möglichst kostengünstig behandeln. Neu ausgebildete, oft innovativere Ärztinnen und Ärzte müssen hingegen warten, bis jemand aussteigt. Das hilft weder den Erkrankten noch den Prämienzahlenden.