Gefahr von Prämiensprüngen
Längst vergessen: Im Frühjahr 2007 mussten Migros und Coop Schutzmasken anbieten. Befürchtet wurde wegen der damals grassierenden Vogelgrippe der Ausbruch einer Pandemie. Um die in solchen Fällen resultierenden, nicht im Voraus kalkulierbaren Behandlungskosten finanzieren zu können, bilden die Krankenversicherer Reserven.
Notvorrat für schlechte Zeiten
Warum brauchen die Krankenversicherer Reserven? Und wie werden sie festgelegt?
Dies hinderte den einstigen Gesundheitsminister Pascal Couchepin nicht daran, in der Grundversicherung einen weiteren Abbau dieser Reserven zu verordnen. Dank dieses Eingriffs betrug die Prämienerhöhung für Erwachsene im Jahr 2008 im Schnitt 0,5 Prozent. Das war der geringste Aufschlag seit der Einführung der obligatorischen Krankenversicherung im Jahr 1996.
Die Freude war von kurzer Dauer. Im Nu war die neue Mindesthöhe der Reserven unterschritten. Um diese Kapitalpolster wieder aufzufüllen, mussten die Prämien für 2010 und 2011 um 8,7 respektive 6,5 Prozent angehoben werden. Das war keine Überraschung: Experimente mit dem «kontrollierten Reserveabbau» waren bereits zuvor kläglich gescheitert und endeten mit grossen Prämiensprüngen.
«Experimente mit kontrolliertem Reserveabbau endeten mit Prämiensprüngen.»
Roman Seiler
Nun ist es wieder so weit: In den letzten Jahren erwiesen sich die von der Aufsicht bewilligten Prämien als zu hoch. Deshalb sind die Kapitalpolster doppelt so gross, wie sie sein sollten. Nun fordert Bundesrat Alain Berset von den Grundversicherern, dass sie ihre Reserven abbauen. Offiziell freiwillig. Allerdings setzen die Aufseher im Bundesamt für Gesundheit (BAG) aggressiv Druck auf, damit die Kassen tiefere, nicht kostendeckende Prämien verlangen.
Momentan geht die Rechnung auf. Blendende Ergebnisse auf den Wertschriften der Versicherer begrenzten die Betriebsverluste der Krankenversicherer im vergangenen Jahr. Daher lassen sich die zu erwartenden Verluste dieses Geschäftsjahres ebenfalls noch mit den Reserven auffangen. Selbst dann, wenn der Wind an den Finanzmärkten dreht und deswegen Kapitalverluste drohen.
Berset ist aber gut beraten, die Reserven nicht weiter anzutasten. Stattdessen müssten Prämienerhöhungen mittels der Vermeidung unnützer Gesundheitskosten in Schach gehalten werden. Doch dies politisch umzusetzen, bleibt ein schwieriges Unterfangen. Daher schieben das BAG und das Parlament entsprechende Reformen auf die lange Bank oder versenken diese gar.