Bürokratie darf nicht Selbstzweck sein
Der Begriff der Bürokratie ist meist negativ besetzt – zu Recht? Bürokratie scheint manchmal unausweichlich, ja sogar notwendig. Denn jede Institution, jedes Gemeinwesen braucht ein gewisses Mass an bürokratischen Massnahmen. Nur so können Verwaltungsprozesse sinnvoll gehandhabt und geltende Gesetze umgesetzt werden. Problematisch ist Bürokratie jedoch dann, wenn sie zum Selbstzweck verkommt. Das ist spätestens dann der Fall, wenn bürokratische Massnahmen und Abläufe keinen Nutzen mehr bringen.
Zu Tode bürokratisiert?
Bürokratie ist unverzichtbar, doch es ist ein schmaler Grat zum Verwaltungsleerlauf. Wie viel Administration erträgt das Gesundheitswesen?
Auch im Schweizer Gesundheitswesen werden die Verwaltungsprozesse laufend komplexer und die Bürokratie nimmt zu. Betroffen davon sind sämtliche Stakeholder, angefangen bei den Leistungserbringenden über die Pharmaindustrie bis hin zu den Krankenversicherern. Sie alle sehen sich mit stets neuen Gesetzesvorgaben konfrontiert und müssen ihre Prozesse entsprechend anpassen und ausbauen.
«Misstrauen zwischen den Stakeholdern führt zu mehr Regulatorien und einer weiteren Zunahme der Bürokratie.»
Patrick Raaflaub
Was braucht es, um hier Gegensteuer zu geben? In erster Linie Vertrauen zwischen den einzelnen Stakeholdern, dass sie ihre jeweilige Aufgabe korrekt umsetzen und die entsprechenden bürokratischen Massnahmen adäquat sind. Sobald Misstrauen zwischen den Stakeholdern besteht, wird der Ruf nach zusätzlichen Regularien laut, was zu einer weiteren Zunahme der Bürokratie führt. Wohin fehlendes Vertrauen führt, zeigen die derzeitigen Diskussionen zur geplanten Umsetzung von EFAS (einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen). Hier misstrauen die Kantone den Krankenversicherern, ob diese ihre Kernaufgabe – die Rechnungskontrolle – korrekt und im Sinne der Kantone ausüben. Eine zusätzliche Kontrolle der Rechnungen durch die Kantone wäre jedoch eine Massnahme ohne jeglichen Zusatznutzen – Bürokratie als Selbstzweck.
Ein weiteres wichtiges Element, um die bürokratischen Aufwände im Gesundheitswesen möglichst gering zu halten, ist die Digitalisierung. Insbesondere ein elektronisches Patientendossier nach dem dänischen oder estnischen Vorbild könnte die Abläufe wesentlich verschlanken, Doppelspurigkeiten vermeiden und zu effizienter Transparenz führen. Und damit schlösse sich der Kreis. Denn Transparenz ist letztlich eine zentrale Voraussetzung für ein nachhaltiges Vertrauen.