In diesem Fall muss es der Staat richten

Die Weltgesundheitsorganisation warnt vor der «stillen Pandemie». Denn hunderttausende Patienten sterben, weil sie gegen Antibiotika resistent sind. Trotzdem investieren grosse Pharmafirmen kaum mehr Geld in die Entwicklung neuer Antibiotika. Weil sich das zu wenig lohnt.
Am Bedürfnis vorbei
Trotz starker Regulierung erbringt der Medikamentenmarkt nicht immer gesellschaftlich erwünschte Ergebnisse. Welche neuen Lösungen braucht es?

Insbesondere börsenkotierte Pharmafirmen konzentrieren sich vorwiegend auf die Entwicklung neuer Heilmittel, für die sie hohe Preise realisieren können. Beispielsweise Krebsmedikamente, mit denen sich auch hohe Profite erzielen lassen. Laufen Patente für Medikamente ab, sinken die Preise massiv und damit die Margen. Die Hersteller stossen diese Präparate dann meist ab. Immer mehr sind nun wegen des Preisdrucks vorübergehend oder gar nicht mehr erhältlich.
Das ist kein Marktversagen, sondern die Folge der gezielten Gewinnoptimierung durch die Chefs von Firmen wie Novartis oder Roche. Versagt hat die Politik. Sie hätte längst staatliche Initiativen anstossen müssen, um gegen die stetig wachsende Zahl von Engpässen in der Versorgung mit günstigen, aber notwendigen Medikamenten anzukämpfen.
«Das ist kein Marktversagen, sondern die Folge einer gezielten Gewinnoptimierung.»
Roman Seiler
Ansätze wie ein vom Schweizerischen Nationalfonds unterstützter Forschungsschwerpunkt zur Bekämpfung antibiotikaresistenter Bakterien gibt es zwar. Doch das reicht hinten und vorne nicht. Denn der Markt wird das Problem nicht lösen. Also sollte der Staat Partnerschaften mit schweizerischen oder europäischen Produzenten anstreben, die Medikamente oder deren Rohstoffe herstellen, die immer wieder oder gar ganz fehlen.
Zudem muss das vom Staat regulierte Preisgefüge für Medikamente überdacht werden. Den Prämienzahlerinnen und -zahlern nützt es wenig, wenn eh günstige Heilmittel noch weniger kosten. Effektiv sparen liesse sich dort, wo die Preise hoch, ja zu hoch sind. Bei den neuen, teuren Therapien, die oft nicht so wirksam sind, wie die Produzenten versprechen. Obendrein gilt es, dem Bund im Gesundheitswesen mehr Kompetenzen einzuräumen – insbesondere bei der Beschaffung von Heilmitteln. Heute kann der Bund nur für eine eingeschränkte Zahl lebenswichtiger Medikamente oder Impfstoffe Notvorräte anlegen.
Trotz der zunehmend besorgniserregenden Situation bei der Versorgung mit Medikamenten liess der Bund bisher vor allem Berichte verfassen. Folgen nicht endlich Taten, drohen weitere «stille Pandemien».