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Ethische Datennutzung durch ethische Datengovernance

Geht es um Datennutzung, macht es wenig Sinn, über «ja» oder «nein» zu diskutieren. Eine ethische Nutzung ist nur möglich, wenn zuvor wichtige Fragen in die Betrachtung einfliessen.

Effy Vayena, Professorin am Health Ethics and Policy Lab der ETH Zürich

Anna Jobin, Forscherin am Health Ethics and Policy Lab der ETH Zürich

18. Februar 2020

Diskussionen zur Datennutzung tendieren, in binären Mustern abzulaufen, die radikale Positionen widerspiegeln. Auf der einen Seite wird Big Data nach wie vor gehypt: Immer grössere Datenmengen sollen genutzt werden, da die heutige Technologie ja die Sammlung und Verwertung solcher Datenmengen möglich mache. Auf der anderen Seite verbreitet sich eine Aversion, die teilweise beinahe schon einer «Datenphobie» gleichkommt (siehe dazu «Übertriebene Datenphobie schadet der Gesundheit», NZZ, 13.10.2018) und die nur schwer mit irgendeiner Form von Datennutzung vereinbar ist. Beide Positionen kommen mit Risiken und Nebenwirkungen und bringen uns nicht wirklich weiter. Datennutzung ja oder nein ist nämlich die falsche Diskussion. Viel zentraler sind die folgenden Fragen zu Datennutzung: Durch wen? In welchem Kontext? Und zu welchem Zweck?

Spannende Einsichten

Spannende Einsichten liefert eine 2018 im Auftrag der SRG durchgeführte Erhebung. Gefragt, welche Institutionen wohl ihre Daten vertraulich behandeln würden, nahmen 88 Prozent der befragten Personen an, Ärztinnen und Ärzte würden dies grösstenteils tun. Nur noch 65 Prozent der Befragten jedoch glaubten, Krankenversicherungen würden ihre Daten vertraulich behandeln. Und mit 6 Prozent (!) bildeten «Technologiekonzerne» das Schlusslicht. Inwiefern solche Proportionen gerechtfertigt sind oder nicht, lassen wir hier mal offen und beschränken uns auf ein Fazit: Kontext ist wichtig. Gerade wenn es um die Gesundheit geht, ist dieser Punkt gut nachvollziehbar. Denn die ethischen Aspekte, denen bei gesundheitsrelevanten Daten eine besonders wichtige Bedeutung zukommt, beziehen sich jeweils auf bestimmte Situationen und Personen oder Institutionen. So erhoffen sich beispielsweise Patientinnen und Patienten durch die Freigabe ihrer Daten eine Verbesserung der medizinischen Versorgung, möchten aber keinesfalls, dass solche Daten für Marketingzwecke verwendet werden. Auch Preisdiskriminierung durch Privatfirmen aufgrund personenbezogener Daten wird nicht befürwortet. Die öffentliche Forschung wiederum unterstützt jedoch ein Grossteil der Leute grundsätzlich gerne. Das zeigt, dass für die Menschen die Umstände der Datennutzung eine zentrale Rolle spielen.

Vertrauen nicht aufs Spiel setzen

Für das Gesundheitswesen ergibt sich aus dem Vertrauensdefizit von «Technologiekonzernen» und dem Misstrauen gegenüber gewinnorientierter Datennutzungen eine wichtige Implikation: Bestehendes Vertrauen darf nicht aufs Spiel gesetzt werden. Datennutzung muss deshalb primär durch öffentliches Interesse begründet werden können und auf eine Art und Weise erfolgen, die Missbrauch und Diskriminierung ausschliesst. Es macht wenig Sinn, generell über Datennutzung ja oder nein zu debattieren. Vielmehr lauten die wichtigen Fragen zur Datennutzung: von wem, wofür und unter welchen Bedingungen? Nur wenn wir die Antworten darauf in unsere Betrachtungen miteinbeziehen, können wir Rahmenbedingungen schaffen, die ethische Datennutzung ermöglichen und sogar fördern.

Effy Vayena

Prof. Dr. Effy Vayena ist Ordentliche Professorin am Health Ethics and Policy Lab am Departement Gesundheitswissenschaften und Technologie der ETH Zürich.

Anna Jobin

Dr. Anna Jobin ist Forscherin am Health Ethics and Policy Lab am Departement Gesundheitswissenschaften und Technologie der ETH Zürich.

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