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Laurence Fehlmann Rielle und Andreas Glarner

Andreas Glarner, Laurence Fehlmann Rielle
Nachgefragt: Soll die Prävention im KVG mehr Gewicht erhalten?

Laurence Fehlmann Rielle, Nationalrätin (SP, GE)

Andreas Glarner, Nationalrat (SVP, AG)

20. Juni 2023

Pro

Die nicht übertragbaren Krankheiten sind derzeit im schweizerischen Gesundheitswesen das grösste Problem: Herz-Kreislauf-Krankheiten, Krebs, Diabetes, Atemwegs- und Muskel-Skelett-Erkrankungen führen zu mehr als 50 Prozent der Todesfälle und verur­sachen 80 Prozent der Gesundheitskosten. Wobei chronische Schmerzen und niedrigere Lebensqualität noch gar nicht mitgezählt sind.

Eine gute Gesundheitsversorgung ist unverzichtbar. Doch obwohl wir immer mehr dafür aufwenden, erklärt diese nur 10 bis 15 Prozent der Gesundheit der Bevölkerung. Würden wir mehr in die Veränderungen der Gewohnheiten und Lebensbedingungen der Bevölkerung investieren, könnten wir beträchtliche Einsparungen erzielen und erst noch Leid und vorzeitige Todesfälle verhindern. Genau darauf zielt die Strategie zur Prävention nicht übertragbarer Krankheiten des Bundes ab. Sollen die empfohlenen Sensibilisierungsmassnahmen für gesündere Verhaltensweisen aber effizienter umgesetzt werden, braucht es zusätzliche Ressourcen.

«Ziel ist, zum Schutz der jungen Menschen den Markt und das unkontrollierte Marketing zu regulieren.»

Laurence Fehlmann Rielle

Trotz des Sprichworts «Vorbeugen ist besser als heilen» zaudert die Politik, wenn Taten gefragt sind. Denn während die Gesellschaft unmittelbare Ergebnisse fordert, zeigen Gesundheitsförderung und Prävention erst mittel- bis langfristig Wirkung.

Erschwerend kommt hinzu, dass sich Lobbyisten der Lebensmittelherstellung, vor allem aus der Zucker-, Tabak- und Alkoholindustrie, zusammengeschlossen haben, um jeglichem Versuch, gesundheitsfördernde strukturelle Massnahmen und Anreize einzuführen, entgegenzuwirken. Anders als manche glauben machen wollen, geht es überhaupt nicht darum, alles zu verbieten: Ziel ist vielmehr, zum Schutz der jungen Menschen den Markt und das unkon­trollierte Marketing zu regulieren. Bei den Lebensmitteln muss die Bevölkerung zudem mit dem System des Nu­tri-Score einfacheren Zugang zu Informa­tionen erhalten.

In der Schweiz fliessen nur 2,2 Prozent der Gesundheitsausgaben in Präventionsprogramme; zu wenig, laut OECD. Das KVG ermöglicht uns gemäss Artikel 19, die zur Förderung der Gesundheit eingesetzten Gelder zu erhöhen.

Es ist höchste Zeit, dass wir den Expertinnen und Experten für öffentliche Gesundheit Gehör schenken und stringente gesundheitspolitische Massnahmen einleiten. Die Schweiz ist keine Insel, die von äusseren Einflüssen verschont bleibt. Was in anderen Ländern funktioniert, kann sich auch bei uns positiv auswirken. Die Bevölkerung ist zunehmend offener für eine Neuausrichtung der Mittel. Doch wie lange hinkt das Parlament noch hinterher?

Contra

Um es vorwegzunehmen: Selbstverständlich erachte auch ich die Prävention als sehr wichtig. Nur ist die Frage, wer diese zu leisten hat. Sollen wir erneut mehr Prävention ins KVG packen? Meine Antwort ist: nein, ganz klar nicht. Die Prämienzahlenden leisten nämlich schon heute eine Zwangsabgabe an die Stiftung Gesundheitsförderung Schweiz. Diese Stiftung verwendet die Mittel meines Erachtens nicht immer sehr zielführend und glänzt vor allem durch hohe Verwaltungskosten.

Prävention muss im Elternhaus beginnen und in der Schule vertieft werden. Jedem Kind, jeder Schülerin und jedem Schüler muss stufengerecht beigebracht werden, wohin ein ungesunder Lebenswandel führt. Direkte Zusammenhänge wie zu hoher Zuckerkonsum und Diabetes, mangelnde Bewegung, falsche Ernährung und Übergewicht, Übergewicht und Herzkrankheiten etc. müssen aufgezeigt und so ein gesundheitsbewusstes Verhalten antrainiert werden.

«Eigenverantwortung ist angesagt. Krankenversicherer sollten ihre Prämien dem Risikoverhalten anpassen dürfen.»

Andreas Glarner

Dabei darf aber nicht sektiererisch vorgegangen werden. Und schon gar nicht dürfen irgendwelche Klimasektenanhänger und militante Veganer zu Wort kommen. Anreize statt Verbote sind gefordert. Bei einem Kind aus einer Bauernfamilie ergibt das Reden gegen Fett und Fleisch nämlich weder Sinn noch ist es zielführend. Kinder aus solchen Familien bewegen sich in der Regel genug. Hingegen kann es Sinn ergeben, ein Kind aus dem städtischen Lebensraum zum Spielen und Rumtollen im Wald zu motivieren. Generell ist es die beste Prävention, wenn sich Eltern um ihre Kinder kümmern, statt diese verkümmern zu lassen. Das Stauen eines Baches, das Bräteln einer Wurst und das Bauen einer Waldhütte sind die beste Prävention – vor allem auch zum Vorbeugen gegen psychische Probleme!

Der Staat ist in der Rolle als Gesundheitsförderer auch nicht allzu glaubwürdig. Er fördert den Tabakanbau und bekämpft zugleich den Tabakkonsum. Ebenso verhält es sich beim Zucker. Der Anbau von Zuckerrüben wird subventioniert, zugleich werden Zuckerfabriken künstlich am Leben erhalten und der Staat bekämpft den Zucker in Lebensmitteln und Getränken.

Eigenverantwortung ist angesagt. Krankenversicherer sollten ihre Prämien dem Risikoverhalten anpassen dürfen. Das Gleiche machen wir schon bei den Auto-Haftpflichtversicherungen für Angehörige gewisser Risikogruppen. Damit fordere ich nicht eine Fett-Steuer, sondern die Belohnung für gutes Verhalten. Es soll künftig die Gesundheit und nicht die Krankheit belohnt werden. Hier müssen wir das Gesundheitswesen tatsächlich neu denken – aber ohne Nanny-Staat!

Laurence Fehlmann Rielle

ist seit 2015 Nationalrätin. Sie ist Mitglied der Kommission für Rechtsfragen und der Finanzkommission. Die Politikwissenschafterin bildete sich in Public Administration (IDHEAP) und öffentlicher Gesundheit weiter und arbeitete im Bereich der Suchtprävention (Alkohol, Cannabis).

Andreas Glarner

ist seit 2015 Nationalrat. Er ist Mitglied der Staatspolitischen Kommission und der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit. Zuvor war er Fraktionspräsident der SVP im Grossen Rat des Kantons Aargau und Gemeindeammann von Oberwil-Lieli. Hauptberuflich ist er Unternehmer.

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