Wenn Übung zur Ausnahme wird

Es ist höchste Zeit. Den Diskussionen über die zu hohe Zahl an Spitälern sollten jetzt Taten folgen. Das überdimensionierte Kliniknetz kostet nicht nur zu viel, sondern gefährdet auch das Wohl der Patientinnen und Patienten.
Die Karten neu mischen
Die Herausforderungen des Föderalismus im Gesundheitswesen verlangen nach neuen Ansätzen – auch über Kantonsgrenzen hinweg.

Denn vor allem in kleineren Regionalkliniken führen Ärztinnen und Ärzte Operationen durch, für die ihnen die Routine fehlt. Eine Studie zu den Fallzahlen in Spitälern und Kliniken für ausgewählte Eingriffe1 belegt dies. Für alle der 21 untersuchten Operationsgruppen empfiehlt die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren eine Mindestfallzahl. Diese beläuft sich meist auf zehn Eingriffe pro Jahr. Dennoch verfehlen Spitäler in 20 der 21 Gruppen die Mindestfallzahlen. In einzelnen Spitälern führen Chirurgen und Chirurginnen eine bestimmte Operation gar lediglich einmal pro Jahr durch.
Dabei ist unbestritten: Der Erfolg eines Eingriffs hängt auch davon ab, wie oft ihn Operationsteams durchführen. Je mehr, desto besser für die Patientinnen und Patienten, weil in der Regel weniger Komplikationen auftreten. Hierzulande ist es umgekehrt: Die eigentlich zu tiefen Vorgaben bieten einen Anreiz, auch mal einen Eingriff durchzuführen, der nicht unbedingt nötig ist. Damit kann die Mindestfallzahl erreicht werden.
«Der Erfolg eines Eingriffs hängt auch von der Routine des Operationsteams ab.»
Eigentlich sollten sich Spitäler zumindest im schweizerischen Mittelland auf gewisse Fachgebiete spezialisieren, statt möglichst viele verschiedene Operationen im eigenen Haus durchzuführen. Dafür müssten überregionale Kooperationen eingegangen werden. Doch das scheitert meist am Kantönligeist.
Diesen übertriebenen Föderalismus unterstützt obendrein das Stimmvolk. Es muckt in der Regel lautstark auf, wenn Spitäler ganz oder teilweise geschlossen werden sollen. Daher braucht es nicht nur ein Umdenken bei der Politik, sondern auch bei den Patientinnen und Patienten. Es ist nicht immer sinnvoll, sich einfach in der nächstgelegenen Klinik behandeln zu lassen.
Wer sich nämlich dort operieren lässt, wo die Zahl der Eingriffe hoch ist, hat eine grössere Chance, rascher gesund zu werden. Das ist auch gesund für das Portemonnaie der Prämienzahler, weil weniger Kosten für unerwünschte Nachbehandlungen anfallen.
1 Fallzahlen in Spitälern und Kliniken für ausgewählte Eingriffe im Jahr 2022, Santésuisse vom 07. September 2024.