Umsetzungsschwierigkeiten von HTA
Vor gut zehn Jahren wurde HTA (Health Technology Assessment) in der Schweiz zum grossen Hoffnungsträger für ein besseres Management des Leistungskatalogs. Auf Initiative der Kantone wurde das Swiss Medical Board gegründet. Krankenversicherer und Pharmaindustrie lancierten das Projekt «Swiss HTA» und schliesslich startete der Bund 2015 ein neues HTA-Programm zur Überprüfung umstrittener medizinischer Leistungen. Doch inzwischen ist Ernüchterung eingekehrt. Es gibt eine Reihe von Gründen, warum HTA in der Schweiz hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist:
Leistungskatalog begrenzen – aber wie?
Entspricht der heutige Leistungskatalog noch den ursprünglichen Regeln? Braucht es Begrenzungen und wie könnten diese aussehen?

- Die Schweiz hat ein Sozialversicherungssystem und kein rein steuerfinanziertes staatliches Gesundheitswesen. Deshalb gibt es kein fixes Gesundheitsbudget und es müssen keine Prioritäten zwischen verschiedenen Leistungen gesetzt werden. Dies ist in Ländern wie England oder Schweden der Fall, wo HTA auch besser verankert ist.
- In der Schweiz gibt es keine eigenständige HTA-Agentur mit entsprechenden Ressourcen und es ist auch kein ausreichend starker politischer Wille erkennbar, dies zu ändern.
- Die WZW-Kriterien aus Art. 32 KVG sind zwar inzwischen vom BAG besser operationalisiert worden, es fehlen aber nach wie vor klare und «harte» Kriterien, z. B. für ein angemessenes Kosten-Nutzen-Verhältnis.
- HTA liefert nur Entscheidungsgrundlagen, aber noch keine Entscheidungen. Es gibt immer einen Ermessensspielraum. Ein «Nein» ist schwierig zu fällen, da es in der Regel von den betroffenen Stakeholdern heftig bekämpft wird und häufig nicht unangreifbar begründet werden kann. Die Schweiz ist ein reiches Land und es ist z. B. schwierig, eine medizinische Leistung wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit abzulehnen.
- Schliesslich dürfen keine falschen Erwartungen an HTA gestellt werden. HTA ist kein Instrument zur Bekämpfung von «overuse», sondern lediglich zur fundierten Bewertung medizinischer Leistungen. Oder mit anderen Worten: Die Anwendung der WZW-Kriterien im Einzelfall ist nicht Gegenstand von HTA.

HTA-Projekte (Stand 16.4.24): 22 Entscheide, davon 11 Vergütungseinschränkungen, 1 Vergütungsstopp. Jährlich sollen mindestens 5 Projekte gestartet werden; das Sparpotenzial beträgt 220 Millionen Franken pro Jahr. (Quelle: BAG)
In der Schweiz steigen die Gesundheitskosten zu einem grossen Teil aufgrund der Mengenausweitung. Hier spielen diejenigen Faktoren eine Rolle, die das klinische Setting beeinflussen. Auf der einen Seite z. B. Tarife, Leitlinien, berufliche Ethik und Arbeitsbedingungen der Gesundheitsfachpersonen, auf der anderen Seite aber auch die Bedürfnisse und Ansprüche der Bevölkerung. HTA kann zwar einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigen Gesundheitsversorgung leisten, aber nur im Zusammenspiel mit anderen Instrumenten und nur, wenn der politische Wille vorhanden ist, HTA auch entsprechend einzusetzen.
