Scheuklappen endlich ablegen
Die Corona-Pandemie hat uns klar vor Augen geführt: Nicht die zur Verfügung stehende Infrastruktur ist in unserem Gesundheitswesen das Hauptproblem, sondern die fehlenden personellen Ressourcen. Gleichwohl wird – wenn ich an die Spitallandschaft denke – landauf, landab an der bestehenden Infrastruktur festgehalten. Und in zahlreichen Kantonen sind Milliarden für neue Spitalbauten vorgesehen. Gerade so, als stünde künftig unendlich viel Personal zur Verfügung. Eine Studie des Beratungsunternehmens PwC zeigt aber, dass in der Schweiz bis 2040 schätzungsweise 40 000 Pflegefachpersonen fehlen werden.
Der Fachkräftemangel gefährdet das System
Im Gesundheitswesen wird vor allem über Finanzen diskutiert. Aber in Zukunft wird der Mensch die knappste Ressource sein.
Damit unser Gesundheitssystem in der heutigen Qualität und mit genügend qualifiziertem Personal aufrechterhalten werden kann, braucht es griffige Massnahmen auf verschiedenen Ebenen. Ich denke da zum Beispiel an eine Besserstellung der Hausarztmedizin. Denn gemäss einer Untersuchung der Uni Zürich kann sie fast 95 Prozent aller Gesundheitsprobleme abschliessend behandeln. Auch die Stärkung der Kompetenz einzelner Berufsgruppen (z. B. Apothekerschaft) könnte mithelfen, das System zu entlasten. Ebenso mehr Möglichkeiten für die Krankenversicherer, zum Beispiel, indem sie ihren chronisch kranken Versicherten Präventionsprogramme anbieten dürfen.
«In zahlreichen Kantonen sind Milliarden für Spitalbauten vorgesehen. Als stünde künftig unendlich viel Personal zur Verfügung.»
Rachel Salzmann
Die mit Abstand grösste Wirkung aber würde das Aufbrechen der föderalistischen Strukturen in der Schweizer Spitallandschaft bringen. Seit Jahren fordern Fachpersonen eine übergeordnete Spitalplanung und die Schaffung von Gesundheitsregionen. So gross die entsprechende Wirkung wäre, so homöopathisch ist vielerorts der Wille dazu. Für mich stellt sich deshalb die Frage, ob die Kantone eine koordinierte Spitalplanung überhaupt wollen. Denn für die meisten Politikerinnen und Politiker geht eine übergeordnete Planung nur dann in Ordnung, solange das Spital im eigenen Kanton nicht betroffen ist. Das klassische Politdilemma eben. Abhilfe würde wohl einzig die Verlagerung der Versorgungsplanung bringen: weg von 26 kantonalen Versorgungsplanungen hin zu einer übergeordneten Planung ohne Scheuklappen.