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Patientenberichte sinnvoll nutzen

PROMs können die Versorgung verbessern – stossen aber auch auf Skepsis. Ein Pilotprojekt testet ihre Machbarkeit im ärztlichen Alltag.

Dr. rer. pol. Florian Liberatore, Privatdozent und Stv. Leiter Team Management im Gesundheitswesen, ZHAW

Joel Lehmann, MA in Sozialwissenschaften und Geschäftsführer der EQUAM Stiftung

24. Oktober 2025

Patient-Reported Outcome Measures (PROMs) sind standardisierte Fragebögen, mit denen Patientinnen und Patienten ihren Gesundheitszustand, Symptome und Lebensqualität selbst einschätzen. Kantone, Kostenträger und auch die Eidgenössische Qualitätskommission (EQK) wollen die PROM-Nutzung im Schweizer Gesundheitssystem etablieren, um eine nutzenorientierte Gesundheitsversorgung zu fördern.

In Spitälern werden PROMs bereits häufiger eingesetzt, wohingegen in der Grundversorgung PROM-Messungen noch wenig etabliert sind. Die Erfahrungen aus dem Arbeitspapier zur Auswertung von PROMs-Routinedaten der Hausarztpraxiszeigen auf, dass PROM-Messungen in der Grundversorgung ermöglichen können, Beschwerden frühzeitig zu erkennen – auch zwischen Arztkontakten. Sie können helfen, Kontrolltermine bedarfsgerecht zu planen, Symptome zu überwachen und die Sprechstunde gezielt auf patientenrelevante Themen auszurichten. PROMs fördern den Fokus auf Lebensqualität statt auf Konsumorientierung und können die gemeinsame Entscheidungs­findung in der Sprechstunde stärken.

Treiber und Widerstände
Verschiedene Forschungsstudien 2,3 haben die folgenden förderlichen und hinderlichen Faktoren für die Implementierung von PROMs in der Grundversorgung identifiziert:

Förderlich für die Implementierung sind digitale, zentral organisierte Erhebungen, deren Ergebnisse idealerweise direkt in der Praxissoftware in der Sprechstunde ersichtlich sind. Auch die Kombination mit PREMs (Patient Reported Experience Measures) sowie die Unterstützung durch Opinion Leader in der Ärzteschaft steigern die Akzeptanz. Wenn PROMs bestehende Dokumentationspflichten gegenüber Kostenträgern reduzieren, kann das einen zusätzlichen Anreiz schaffen.

Hinderlich wirken hingegen Datenschutzbedenken und Misstrauen, dass PROM-Daten zu Steuerungs- oder Sanktionszwecken genutzt werden. Manche Ärztinnen und Ärzte sehen wenig Mehrwert, da sie glauben, ihre Patientinnen und Patienten bereits gut zu kennen. Weitere Hürden sind Sorgen vor unrealistischen Erwartungen durch das Abfragen, dadurch verlängerte Sprechstunden und potenzielle Haftungsrisiken bei unbearbeiteten Angaben in PROMs.

Ein Best-Practice-Beispiel ist das von der EQK unterstützte Projekt Primary PROMs unter der Leitung von EQUAM. Gemeinsam mit Ärztenetzen, Medgate und Kostenträgern wird der Einsatz von PROMs in der Grundversorgung praxisnah pilotiert. Das Projekt läuft von 2024–2026. Erste Zwischenergebnisse sind Anfang 2026 zu erwarten. 

Dr. rer. pol. Florian Liberatore

Experte für Qualitätsmanagement am Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie. Neben seiner Funktion an der ZHAW wirkt er im Vorstand von VBHC Suisse, als VR-Präsident der Concret AG sowie als ZV-Mitglied von PhysioSwiss.

Joel Lehmann

Geschäftsführer der EQUAM Stiftung (Organisation für die Qualität der ambulanten Versorgung). Er setzt sich für eine qualitativ hochstehende Grundversorgung, für Patientenzentriertheit und für eine Intelligente Nutzung von Daten ein. Er ist zudem Mitgründer des Vereins VBHC Suisse und von Infospective Research in Nairobi.

Quellen:
1. Stahl, J., et al. (2021). PROMs in der schweizerischen Grundversorgung: Arbeitspapier zur Auswertung von PROMs-Routinedaten der Hausarztpraxis.
2. Turner, G. M., et al. (2020). General practitioners’ views on use of patient reported outcome measures in primary care: a cross-sectional survey and qualitative study. BMC family practice, 21, 1-10.
3. Fontaine, G., et al. (2024). Barriers and enablers to the implementation of patient-reported outcome and experience measures (PROMs/PREMs): protocol for an umbrella review. Systematic Reviews, 13(1), 96.

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