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Nächtliche Asthma-Symptome per App überwachen

Der mobile Studiencoach CLARA erforscht bei Asthmapatienten den Zusammenhang zwischen nächtlichem Husten und Wohlbefinden. Kann CLARA künftig helfen, Asthma-Symptome zu verstehen? Ein Erfahrungsbericht.

Charlotte Lekkas, doktoriert an der Universität St. Gallen und ist von Asthma betroffen.

6. Juni 2019

Obwohl technikaffin, habe ich den Einsatz von Apps im Gesundheitswesen stets kritisch betrachtet. Für mich war der Nutzen schwer vorstellbar, da ich bis auf mein Asthma ein kerngesunder Mensch bin. Auch habe ich Sorge, was wohl mit meinen gesundheitsbezogenen Daten passiert, und es taucht schnell der Begriff des gläsernen Patienten in meinen Gedanken auf. Trotzdem erklärte ich mich bereit, bei der Studie unter der Leitung des Kantonsspitals St. Gallen mitzuwirken. Die Studie für Asthmatiker sollte zeigen, ob eine App für das Smartphone nächtlichen Husten detektieren kann und ob dieser Husten als Indikator für das aktuelle Wohlbefinden eines Asthmapatienten aussagekräftig ist.

So wurde CLARA, mein mobiler Studiencoach, für 30 Tage mein ständiger Begleiter. Jeden Morgen zur gleichen Zeit stellte mir CLARA einige Fragen: zum Beispiel, wie ich meine Schlafqualität bewerten würde und wie viel ich gehustet habe in der Nacht. Während ich schlief, zeichnete CLARA meinen Husten auf. Dazu aktivierte sich automatisch zu einer bestimmten Uhrzeit die Aufnahmefunktion. An sich ein simples Unterfangen, das mich in meinem Alltag nicht sonderlich einschränkte. Zwar fühlte ich mich in den ersten Nächten noch ein wenig mulmig, dass mir die App beim Schlafen zuhört. Aber nach einigen Nächten mit CLARA an meiner Seite wurde das Ausfüllen des Fragebogens zu meinem morgendlichen Ritual, genauso wie das Einschalten der Aufnahmefunktion vor dem Schlafengehen. So integrierte ich CLARA schon bald in meine täglichen Routinen.

Die Krankheit selber kontrollieren

CLARA ist derzeit ein Forschungsprototyp und wurde ausschliesslich für die Datenerhebung im Rahmen der Studie entwickelt. Deshalb enthält die App bislang keine Funktionen zur Unterstützung von Patienten. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass solche Anwendungen auf mobilen Geräten künftig einen Mehrwert für Patienten mit chronischen Erkrankungen bieten können. Zum Beispiel als App, die mir im Alltag dabei hilft, die Auswirkungen meines Verhaltens auf mein Asthma zu verstehen; damit meine ich jene Tage, an denen ich trotz gleicher Medikation schlechter Luft bekomme. In solchen Fällen nutze ich aktuell die Telefonsprechstunde meines Lungenfacharztes, um dann je nach dessen Aussage zusätzlich persönlich zu einem Termin erscheinen zu müssen. Ein Prozess, der für mich und meinen Arzt recht zeitintensiv ist. Hier könnte eine Integration von Messungen in das Smartphone – zum Beispiel die nächtliche Hustenrate – den Prozess und die medizinische Einschätzung des Asthmas deutlich vereinfachen. So könnten Patienten wie ich, deren Symptome nicht sehr ausgeprägt sind, ihr Asthma bis zu einem gewissen Grad selbst kontrollieren, während die Ärzte sich um die wirklich schweren Fälle kümmern könnten.

Neue Rolle der Krankenversicherung

Rückblickend gesehen haben mich – trotz meiner kritischen Grundeinstellung – drei Punkte zur Teilnahme bewogen: Ich kannte die Forscher hinter der Studie, die Studie wurde von vertrauenswürdigen Partnern wie dem Kantonsspital St. Gallen unterstützt, und die Forschungsfrage war relevant für mein Leben mit Asthma. Den Patienten die Gewissheit zu vermitteln, dass mit ihren Daten vertrauensvoll umgegangen wird, ist daher meiner Einschätzung nach sowohl die grösste Hürde als auch der Schlüssel zum Erfolg für Apps im Gesundheitsbereich. Da ich in Deutschland aufgewachsen bin, kenne ich Krankenkassen in einer recht aktiven Rolle bezüglich zusätzlicher Services, die neben den Grundleistungen angeboten werden. Dennoch erscheint es mir unabdingbar, dass ich als Patient stets Herr meiner Daten bleibe und darüber informiert werde, was mit diesen geschieht. Auch in der Schweiz ist meines Erachtens die Involvierung von Krankenkassen in die App-Entwicklung eher nutzenstiftend. Krankenkassen verfügen über langjährige Erfahrung im Gesundheitsbereich und könnten als wichtige Schnittstelle zwischen Ärzten und Unternehmen fungieren. Auch sehe ich Krankenkassen als eine Art Vertrauenspersonen, die mir als Patientin signalisieren, welche Apps vertrauenswürdig sind. Zwar stellt dies die Krankenkassen vor neue Herausforderungen. Wäre ich jedoch in einer entsprechenden Position bei einer Krankenversicherung, dann würde ich die Auswirkungen der Digitalisierung auf den Gesundheitsbereich lieber aktiv mitgestalten wollen, anstatt auf der Zuschauerbank zu sitzen.

Charlotte Lekkas

Charlotte Lekkas doktoriert in Innovationsmanagement am Institut für Technologiemanagement der Universität St. Gallen und lebt seit knapp zwei Jahren in der Schweiz. Seit ihrer Jugend ist sie von Asthma betroffen.

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