Martin Pfister und Sarah Wyss

Pro: Martin Pfister
Die Kantone haben eine langjährige Erfahrung in der Planung und Finanzierung der stationären Gesundheitsversorgung. Die kantonale Verantwortung trägt den unterschiedlichen regionalen Gegebenheiten und Bedürfnissen Rechnung. So gibt es etwa Unterschiede zwischen der Westschweiz und der Zentralschweiz, die sich im Angebot der Gesundheitsversorgung oder der unterschiedlichen Prämienhöhe zeigen. Die Kostenentwicklung ist übrigens gerade in den Bereichen relativ stabil, in denen die Kantone Verantwortung tragen.
Die Karten neu mischen
Die Herausforderungen des Föderalismus im Gesundheitswesen verlangen nach neuen Ansätzen – auch über Kantonsgrenzen hinweg.

Föderalismus funktioniert jedoch nur, wenn sich die Kantone koordinieren. Dies gilt insbesondere für das Gesundheitswesen. Die Koordination in der Planung und Finanzierung erfolgt heute bereits sehr systematisch und in enger Abstimmung untereinander. Beispielsweise führen die Kantone ihre Spitalplanungen mit den Spitalplanungsempfehlungen der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK) nach gleichen Regeln durch. Bei der hochspezialisierten Medizin lagern sie ihre Planungskompetenzen gar ganz in ein Konkordat aus. Es besteht aber weiterhin Potenzial für eine Verbesserung der kantonalen Zusammenarbeit. Deshalb hat die GDK-Plenarversammlung den Vorstand beauftragt, die Spitalplanungsempfehlungen anzupassen. Nationale Vorschriften sind dazu nicht nötig. Es gibt zudem unzählige regionale Beispiele von guter Zusammenarbeit. So haben etwa die Kantone Uri, Schwyz und Zug ihre stationäre und ambulante Psychiatrieplanung einem Konkordat übertragen. Weiter wurde die Zuger Spitalplanung konsequent in einen regionalen Kontext gestellt. Alle Leistungsaufträge, bei denen wir in Zug zu wenige Fälle haben, werden an ausserkantonale Zentrumsspitäler, vor allem in Luzern und Zürich, vergeben. Das ist nicht nur qualitativ besser, sondern auch kostengünstiger.

«Dank des Föderalismus werden regionale Lösungen gefunden, die der schweizerischen Vielfalt entsprechen.»
Martin Pfister
Das Hauptziel der Forderung einer nationalen oder regionalen Spitalplanung scheint es zu sein, die Zahl der Spitäler in der Schweiz radikal zu reduzieren. Dies wäre nur mit einer nationalen Spitalplanung möglich. Dass eine zentral geplante Gesundheitsversorgung, die sich auf ein paar wenige grosse Zentrumsspitäler beschränkt, unserer politischen Kultur und Vielfalt entsprechen würde, bezweifle ich.
Unser Gesundheitswesen wird sich in den nächsten Jahren aufgrund der medizinischen und demografischen Entwicklung stark verändern. Hier sind alle Beteiligten im Gesundheitswesen gefordert. Das föderalistische und direktdemokratische System stärkt dabei die Akzeptanz von Massnahmen, selbst wenn schwierige Entscheide getroffen werden müssen. Dank des Föderalismus werden geeignete regionale Lösungen gefunden, die der schweizerischen Vielfalt entsprechen. Davon profitieren wir alle.
Contra: Sarah Wyss
Die Schweiz ist für ihren Föderalismus bekannt. Eine dezentrale Organisation und ein sehr hoher Grad an kantonaler Selbstbestimmung ergeben in den meisten Politfeldern Sinn. Nicht so aber im Gesundheitswesen. Es braucht in der Planung wie auch in der Finanzierung klar nationale oder zumindest interkantonale Ansätze – zum Wohle der Patientinnen und Patienten sowie unser aller Portemonnaies.
Die Kantonsgrenzen widerspiegeln schon lange nicht mehr den Lebensraum der Menschen. Die Patientinnen- und Patientenmobilität nimmt zu. So lassen sich beispielsweise 40 Prozent der Unterbaselbieterinnen und Unterbaselbieter im Kanton Basel-Stadt behandeln. 15 Prozent der im Kanton Zürich behandelten Personen stammen aus einem anderen, zumeist angrenzenden Kanton. Die Kantone ermöglichen dementsprechend die extrakantonale Behandlung durch die Führung von ausserkantonalen Spitälern auf der Spitalliste. Dies macht aus Versorgungssicht Sinn und ermöglicht eine Wahlfreiheit für Patientinnen und Patienten – gerade aus kleineren Kantonen.

«Ein bedarfsgerechtes Gesundheitswesen kann schlicht nicht mehr rein kantonal gedacht werden.»
Sarah Wyss
Damit kann eine Aufrüstung der Spitäler, die oftmals in einer Überversorgungsstruktur endet, reduziert werden. Denn darunter leiden die Patientinnen und Patienten, weil sie unnötigen Behandlungen ausgesetzt sind. Zudem werden die Gesundheitskosten in die Höhe getrieben – und dies ohne medizinischen Mehrwert. Mit einer interkantonalen Planung können aber auch frühzeitig Unterversorgungstendenzen beispielsweise in der Grundversorgung erkannt und Massnahmen dagegen ergriffen werden. Ein bedarfsgerechtes Gesundheitswesen kann in der heutigen Zeit schlicht nicht mehr rein kantonal gedacht werden, eine reine kantonale Spitalplanung ist sinnfrei. Dies haben viele Kantone auch eingesehen. So ist es nicht verwunderlich, dass es immer wieder – erfolgreiche und weniger erfolgreiche – Versuche gibt, die Spitalplanung interkantonal abzustimmen. Damit eine interkantonale Spitalplanung funktioniert, braucht es Gesetzesanpassungen. Freiwilligkeit der Kantone reicht nicht. Im Übrigen kennen wir eine interkantonale Planung bereits in der hochspezialisierten Medizin. Sie funktioniert sehr gut und in höchster Qualität.
Auch in der Finanzierung ist noch viel zu viel kantonal geregelt. Die Kantone müssen verpflichtet werden, das Gesundheitswesen angemessen und stärker im Sinne eines Service public zu finanzieren. Ein erster Schritt wurde mit EFAS gemacht. Künftig sind die Kantone verpflichtet, ambulante und stationäre Leistungen zu gleichen Anteilen mitzufinanzieren. Im Sinne eines effizienten Gesundheitswesens sollten die Kantone jedoch mehr in die Prävention investieren. Sie tun dies heute sehr unterschiedlich stark und oftmals ungenügend.