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«Klientinnen und Klienten stehen im Zentrum»

Im Spannungsfeld von Fachlichkeit, Organisation, Kostenvorgaben und Menschlichkeit wird die Pflegequalität in der Spitex sichergestellt.

Yvana Zemp, Pflegeexpertin MScN

24. Oktober 2025

Bei der Spitex hat Qualität für Pflegefachpersonen eine mehrdimensionale Bedeutung. Sie zeigt sich einerseits in struk­turellen Rahmenbedingungen, wie etwa
Handlungsanweisungen, aber auch durch eine unterstützende Fachexpertise, welche die Pflegefachpersonen mit reflektierenden Fallbesprechungen oder direktem Coaching begleitet. So entsteht ein sicherer Rahmen, durch welchen die Pflegefachpersonen ihre Massnahmen wirksam, wirtschaftlich und zweckmässig umsetzen können. Dies trägt wiederum dazu bei, dass sich Klientinnen und Klienten sicher, ernst genommen und gut betreut fühlen.

Andererseits erleben die Pflegefachpersonen Qualität auch in einem erfolgreichen Beziehungsaufbau und der Möglichkeit, die Pflege individuell auf die Bedürfnisse der Klientinnen und Klienten auszurichten. Weiter sprechen ihrer Ansicht nach Kontinuität der Planung sowie ein adäquates Zeitmanagement für eine hohe Pflegequalität. Jedoch können gerade organisatorische Gegebenheiten Spannungen erzeugen. Unvorhersehbares und die koordinative Rolle der Pflege stellen hier besondere Herausforderungen dar. So etwa müssen Medikamente, die trotz Bestellung nicht durch die Klientinnen und Klienten abgeholt wurden, von der Spitex erst besorgt und vorbereitet werden – anders als im stationären Setting, wo sie direkt verfügbar sind.

Zwischen Pflegebedarf und Kostenvorgaben
Ein weiteres Spannungsfeld betrifft die Finanzierung: Spitex-Leistungen sind an die Vorgaben des Krankenversicherungsgesetzes und deren Verordnung sowie an die Tarife der Kantone oder Gemeinden gebunden. Daraus ergeben sich Konfliktlinien zwischen dem effektiven Pflegebedarf, dem Faktor Zeit und Versorgungslücken, die über den eigentlichen Pflegeauftrag hinausgehen. Diese Spannungen zeigen sich gerade in komplexen und anspruchsvollen Situationen, etwa in der End of Life Care (Palliativpflege) oder bei der Pflege von Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen. Pflegefachpersonen müssen in diesen Fällen differenzieren können, welche Aufgaben tatsächlich pflegerisch notwendig sind und welche nicht mehr in den pfleger­ischen Bereich fallen. Besonders herausfordernd sind Pflegesituationen, in denen kognitive Veränderungen mehr Pflegezeit ver­langen, für welche die Zeit jedoch nicht gutge­sprochen wurde. Dies kann bei Mitarbeitenden zu Stress führen und potenziell die Pflegequalität beeinflussen oder Fehler begünstigen.

«Pflegefachpersonen sind oft die einzigen sozialen Kontakte der Klientinnen und Klienten.»

Das verdeutlicht die Schere, welche zwischen betriebswirtschaftlichen Anforderungen und pflegerischem Anspruch entstehen kann – was den leistungsprüfenden Krankenversicherern bewusst sein muss. Und doch sind die gesetzlichen und wirtschaftlichen Vorgaben essenziell, da sie den organisatorischen Rahmen für die Spitex bilden und so eine gesamtheitliche Umsetzung gegeben ist. Eine sorgfältige Betrachtung beider Perspektiven – der Finanzierung und der ausführenden ambulanten Pflege – ist daher unerlässlich. Das Wohl und die Sicherheit der Klientinnen und Klienten muss dabei immer im Vordergrund stehen.

Interne Fallbesprechungen und Supervisionen helfen den Pflegefachpersonen dabei, mit emotionalen Belastungen und moralischen Konflikten umzugehen, die aus den genannten Spannungsfeldern entstehen können.

Menschliche Nähe als Qualitätsmerkmal
Neben der fachlich korrekt ausgeführten Pflege und Beratung stehen für die Klientinnen und Klienten weitere Aspekte von Qualität im Vordergrund: Pünktlichkeit, Empathie sowie eine respektvolle Kommunikation, die den Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung fördern. Pflegefachpersonen stellen für sie oft die einzigen sozialen Kontakte dar. Dadurch können weitere Spannungsfelder entstehen, in denen der Wunsch nach Aufmerksamkeit oder Gesprächen besteht, welcher aber über die festgelegten pflegerischen Leistungen hinausgeht. Durch transparente Kommunikation zu den bestehenden Strukturen und Möglichkeiten kann das Verständnis aufseiten der Klien­tinnen und Klienten erhöht werden. Vor diesem Hintergrund ist der Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung besonders entscheidend.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Pflegequalität im ambulanten Setting ist ein Zusammenspiel von Fachkompetenz, Rahmenbedingungen und der Lebenswelt der Klientinnen und Klienten. Pflegefachpersonen müssen dabei eine Balance zwischen professionellen Ansprüchen, ökonomischen Realitäten und menschlicher Nähe wahren – eine Aufgabe, die Kompetenz, Empathie, Reflexion sowie die Anerkennung und Finanzierung unterstützender Leistungen erfordert. 

Yvana Zemp

ist Pflegeexpertin MScN und Leiterin Expertise sowie Mitglied der Geschäftsleitung bei Spitex Nidwalden.

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