Dezentralisierung im Gesundheitswesen: ein Balanceakt

Die richtige Balance zwischen zentralisierter Steuerung und lokaler Autonomie zu finden, ist im Gesundheitswesen entscheidend. Unsere jüngsten Untersuchungen zeigen eine überraschende Beziehung zwischen der Dezentralisierung des Gesundheitssystems und seiner Leistungsfähigkeit. Dies lässt den Schluss zu, dass ein moderates Vorgehen die optimale Lösung ist.
Die Karten neu mischen
Die Herausforderungen des Föderalismus im Gesundheitswesen verlangen nach neuen Ansätzen – auch über Kantonsgrenzen hinweg.

Eine Untersuchung der Auswirkungen einer administrativen Dezentralisierung auf die öffentlichen Gesundheitsausgaben und die Lebenserwartung in mehreren OECD-Ländern zeigt:
- Eine moderate Dezentralisierung führt im Vergleich zu zentralisierten Systemen zu tieferen öffentlichen Ausgaben und einer höheren Lebenserwartung.
- Wird übermässig dezentralisiert, kehrt sich dieser Nutzen um: Die Ausgaben steigen an, die Lebenserwartung sinkt
Durch diese nichtlineare Beziehung entsteht eine «Goldlöckchen-Zone», in welcher Gesundheitssysteme die beste Leistung erbringen.

Für das hochgradig dezentralisierte System der Schweiz sind diese Ergebnisse besonders bedeutsam. Das Land ist zwar für seine hohe Qualität bekannt, wird aber bezüglich Kostendämpfung und kantonsübergreifender Koordination herausgefordert. Das Schweizer Gesundheitssystem könnte von Reformen profitieren, die auf ein optimales Gleichgewicht zwischen kantonaler Autonomie und nationaler Koordination abzielen, beispielsweise durch:
- Stärkung der interkantonalen Zusammenarbeit
- Harmonisierung bestimmter politischer Massnahmen auf nationaler Ebene
- Zentralisierung der strategischen Planung, wobei lokal weiterhin Leistungen flexibel bereitgestellt werden
Die Schlussfolgerungen der Studie reichen über die Schweiz hinaus:
- Standardisierte Dezentralisierungsansätze sind im Grossen und Ganzen ineffektiv.
- Hochzentralisierte Systeme können von einer umsichtigen Dezentralisierung profitieren.
- Stark dezentralisierte Länder sollten bei einer weitergehenden Dezentralisierung Vorsicht walten lassen.
Wenn man in der Schweiz Gesundheitsreformen prüft, sollten die politischen Entscheidungsträger das genau richtige Mass an Dezentralisierung anstreben, um Effizienz und Ergebnisse zu optimieren, ohne die Stärken der lokalen Verwaltung zu schmälern. Dieser ausgewogene Ansatz könnte die Kosten reduzieren und dabei die hohen Schweizer Behandlungsstandards erhalten oder sogar noch verbessern. Die verschiedenen Herangehensweisen in Australien, Belgien, Deutschland und Japan zeigen im Hinblick auf eine ausgewogene Dezentralisierung spezifische Möglichkeiten auf, wie nationale Standards und lokale Flexibilität aufeinander abgestimmt werden.