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«Der Wandel ist kein Selbst­läufer»

Der Nutzen ambulanter Behandlungen ist unbestritten – doch die Umsetzung birgt Hürden.

Prof. Dr. med. Ahmed A. Khattab, Kardiologe und medizinischer Leiter der Cardiance Clinic

24. Juni 2025

Ambulante Behandlungen haben sich weltweit als wesentlicher Pfeiler moderner Medizin etabliert. Der medizinische Fortschritt bildet die Grundlage dieser Entwicklung. Als erste ambulante Herzklinik der Schweiz zeigt die Cardiance Clinic in Pfäffikon SZ seit zehn Jahren, wie ambulante Behandlungen im Bereich der Herz- und Kreislauferkrankungen erfolgreich angewendet werden können.

Die Verlagerung von stationären zu ambulanten Behandlungen ist allerdings kein Selbstläufer, sondern sie stellt die Leistungserbringer vor erhebliche Herausforderungen. Der Übergang erfordert nicht nur technische Anpassungen, sondern auch eine komplette Neuausrichtung interner Prozesse und Verantwortlichkeiten. Die Integration in bestehende Versorgungsnetzwerke ist dabei unerlässlich, um einen nahtlosen Übergang zwischen Vor- und Nachbehandlungen zu gewährleisten und im Notfall schnell reagieren zu können. Besonders wichtig ist dabei eine lückenlose Kommunikation mit dem ambulanten Umfeld, um die Kontinuität der Betreuung zu gewährleisten.

Persönlichere Betreuung, weniger Kosten
Der Aufwand lohnt sich zuallererst für die Patientinnen und Patienten. Nebst einem verkürzten Aufenthalt wird im ambulanten Umfeld stärker auf eine individuelle Betreuung gesetzt, was Stress und Belastungen deutlich reduziert. Patienten werden nicht von einer Abteilung zur nächsten transportiert. Stattdessen kann mehr Zeit für persönliche Aufklärung, Beratung und eine ausführliche Nachsorge eingeplant werden. Nicht zuletzt führen ambulante Behandlungen auch zu einer geringeren Infektionsgefahr. Gleichzeitig profitieren Patientinnen und Patienten von einem niedrigeren Risiko für Komplikationen, da die Behandlung in einem speziell auf ambulante Prozesse ausgerichteten Umfeld erfolgt. Die sofortige Rückkehr in den Alltag unterstützt nicht nur die psychische Genesung, sondern fördert auch die physische Rehabilitation. Dadurch werden berufliche und familiäre Aktivitäten schneller wieder aufgenommen, was den Genesungsprozess weiter begünstigt. Vereinzelt äussern Patientinnen und Patienten Bedenken, ob eine rasche Rückkehr tatsächlich sicher sei. Solche Vorbehalte sind verständlich und werden im persönlichen Gespräch einfühlsam aufgegriffen. Eine Aufklärung über die medizinische Entwicklung, die Abläufe, Sicherheitsstandards und die Nachbetreuung hilft, Vertrauen zu schaffen und mögliche Ängste abzubauen.

Auch ökonomisch gesehen bietet die ambulante Versorgung klare Vorteile. Durch die effiziente Nutzung von Personal und technischer Ausstattung sinken die Behandlungskosten erheblich, ohne dass dies zulasten der Qualität geht. Versicherer und Patienten profitieren gleichermassen von den Kosteneinsparungen, die zudem zu einer nachhaltigeren Gesundheitsversorgung beitragen.

«Die Ambulantisierung erfordert auch eine komplette Neuausrichtung interner Prozesse und Verantwortlichkeiten.»

Es müssen Taten folgen
In den USA liegt der Anteil ambulanter Eingriffe bei über 85 Prozent aller durchgeführten Operationen. Einige dieser ambulanten Eingriffe wären hierzulande nur schwer vorstellbar. In der Tat ist die Schweiz im Bereich der Ambulantisierung noch im Rückstand. Die Gründe dafür sind vielfältig, nicht zuletzt sind es finanzielle Anreize, welche den Ausschlag geben. Bekanntlich werden stationäre Eingriffe besser vergütet als ihre ambulanten Pendants. Mit der Einführung neuer Behandlungspauschalen ab dem 1. Januar 2026 verschärft sich dieses Problem markant. Viele der neuen ambulanten Pauschalen sind unzureichend kalkuliert, was Einrichtungen in Zukunft noch stärker finanziell belasten und den strukturellen Wandel behindern wird. Dieser steht tatsächlich auf dem Spiel.

Ambulante Behandlungen vereinen erhebliche medizinische Vorteile mit signifikanten ökonomischen Einsparungen. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger haben an der Urne die Richtung vorgegeben, indem sie der Einheitlichen Finanzierung von Ambulant und Stationär (EFAS) zugestimmt haben. Jetzt sind die Verantwortlichen im Gesundheitswesen am Zug: Es müssen Taten folgen, damit am Ende alle gewinnen. 

Prof. Dr. med. Ahmed A. Khattab

Prof. Dr. med. Ahmed A. Khattab ist Kardiologe und medizinischer Leiter der Cardiance Clinic, zudem Titularprofessor für Kardiologie an der Universität Bern.

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