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Kurz analysiert: Die Forderung nach Globalbudgets

Je stärker die Gesundheitskosten steigen, desto mehr sinkt das Vertrauen in die Akteure des schweizerischen Gesundheitssystems. Ist ein Globalbudget ein möglicher Ausweg?

Heinz Locher, Unternehmensberater und Dozent im Gesundheitswesen

24. Mai 2018

Das Thema Globalbudget taucht neuerdings vermehrt in der öffentlichen Diskussion auf. Erste parlamentarische Vorstösse (1) sind eingereicht worden. Allerdings wird in diesen das «G»-Wort umschrieben («Bindung des Kostenwachstums an die Nominallohnsumme»). Diese Vorstösse sollten als Warnhinweise und als Ausdruck des verlorenen Vertrauens in die Problemlösungsfähigkeit der Akteure unseres Gesundheitssystems interpretiert werden. Ein kritischer Rückblick auf das gesundheitspolitische Tun und Unterlassen der jüngeren Vergangenheit zeigt, dass dieser Vertrauensverlust nicht überraschend eingetreten ist, es sei nur an das TARMED-Debakel erinnert. Im Unterschied zur biblischen Überlieferung des Menetekelgeschehens ist aber das «Unheil», hier in Form von Globalbudgets, nicht unabwendbar.

Die Suche nach Kostenbremsen

Dass diese Forderungen auftreten, ist umso bemerkenswerter, als Globalbudgets weder in einer Ex-ante-Form noch in einer Ex-post-Ausgestaltung geeignete Problemlösungen darstellen. Mit Art. 51 KVG werden die Kantone ermächtigt, ein Globalbudget für Spitäler und Pflegeheime festzusetzen. Je nach ihrer Ausgestaltung können zwar mit einer solchen Ex-ante-Regelung kurzfristige Ergebnisse erzielt werden, mittel- und längerfristig wirkt dieses Instrument aber strukturerhaltend, verhindert das Aufkommen neuer, innovativer Leistungsanbieter und begünstigt eine implizite Rationierung. Dasselbe gilt für die ausserordentliche Globalbudgetierung durch die Genehmigungsbehörde auf Antrag der Versicherer (Art. 54 KVG). Die Tariffestsetzung durch die Genehmigungsbehörde (Art. 55 KVG) kann nur als kurzfristiger Noteingriff verstanden werden. Ex-post-Formen wie die vorgeschlagene Senkung des Taxpunktwertes im Folgejahr nach Überschreitung des vorgegebenen Budgets im Vorjahr wirken wie eine Kollektivbestrafung der betroffenen Leistungserbringerkategorie und werden zur Folge haben, dass jeder möglichst viele Leistungen erbringt, um den negativen Preiseffekt durch entsprechende Mehrmenge zu kompensieren.

Hilflose Forderung

Gesamthaft betrachtet sind Forderungen nach Globalbudgets vergleichbar mit dem etwas hilflosen Bemühen, in der Küche die Suppe durch das Aufsetzen eines Deckels am drohenden Überlaufen zu hindern. Sinnvoller wäre es, die Energiezufuhr rechtzeitig zu drosseln. Genau das ist aber im gesundheitspolitischen Geschehen versäumt worden. Handlungsansätze gibt es zuhauf: mengentreibende Fehlanreize im Tarif- und Honorarbereich, Mängel der Indikationsqualität bei Wahleingriffen, Erbringung unwirksamer oder unnötiger Leistungen, Governance-Konflikte der Kantone, ungleiche Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen, fehlende Neuorientierung der Leistungserbringung auf die Bedürfnisse einer alternden Bevölkerung (z.B. durch regionale Netzwerke). Hier gilt es anzusetzen.

Immerhin wäre es begrüssenswert, die Leistungsund Kostenentwicklung zeitnaher verfolgen zu können, als dies zurzeit möglich ist. So hat die Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich am 13. Juni 2017 die «Frühjahresprognose der schweizerischen Gesundheitsausgaben 2016–2018» vorgestellt (kein Druckfehler!). Bei einem derartigen zweijährigen Nachhinken der aktuellen Statistiken ist nicht einmal ein Kostenmonitoring umsetzbar. Rasch verfügbare quartalweise Daten, wie sie für andere Wirtschaftsbereiche verfügbar sind, sollten auch im Gesundheitswesen zugänglich gemacht werden und den zuständigen Stellen ermöglichen, rechtzeitig Massnahmen einzuleiten.

Heinz Locher

Dr. rer. pol. Heinz Locher ist Unternehmensberater und Dozent im Gesundheitswesen. Im letzten Jahr nahm er Einsitz in die Expertengruppe des EDI, die neue Modelle zur Mengensteuerung prüft. Der Bericht erscheint im Herbst 2017.

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