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Hohe Prämien: Schulden machen krank

Menschen in finanzieller Notlage bleiben als Erstes Steuern und Krankenversicherungsprämien schuldig. Versicherer und Steuerämter sollten rechtzeitig intervenieren.

Barbara Bracher, engagiert sich seit 2013 als Stellenleiterin und Schuldenberaterin bei der Fachstelle für Schulden­fragen in Luzern.

17. Februar 2021

Arbeitslosigkeit, Trennung oder Krankheit sind in unserer Beratungsstelle die häufigsten Gründe, warum sich unsere Ratsuchenden verschulden. Bis zum Eintritt des Ereignisses geht das Budget meist noch auf, eine Lohneinbusse und/oder höhere Auslagen bedeuten dann aber, dass das Budget aus dem Lot gerät. Erste Ausstände entstehen und Erspartes wird aufgezehrt. Hält der Zustand länger an und kann keine Veränderung initiiert werden, droht eine Überschuldung.

Gemäss Steuerstatistik wies im Jahr 2018 knapp die Hälfte (44 %) der 236 414 Steuerpflichtigen ein Reinvermögen von weniger als 30 000 Franken aus. Fast jeder Fünfte (17 %) hatte kein Vermögen zu deklarieren (LUSTAT Statistik Luzern, natürliche Personen: Anzahl Steuerpflichtige nach Reinvermögensstufen 2018). Betreibungen und Pfändungen können die Folge sein. Ein Teufelskreis, weil ab dem Zeitpunkt einer Lohnpfändung Betroffenen nur noch der Existenzbedarf verbleibt. Darin sind die Steuern gar nicht berücksichtigt und die Krankenversicherungsprämien nur, sofern diese im Vorfeld beglichen wurden. Das bedeutet, dass sich diese Menschen trotz Tilgung über eine Pfändung neu verschulden.

Schulden verschlechtern die Gesundheit

Wir sehen in unserer täglichen Arbeit in der Schuldenberatung immer wieder, dass die Last der Schulden und die Perspektivlosigkeit diese Menschen auch in ihrer Gesundheit beeinträchtigen. Weil sie die Selbstbehalts- und Franchisekosten nicht stemmen können, verzichten sie nicht selten auf ärztliche und medikamentöse Behandlung. Da zahnärztliche Leistungen nicht in der Krankenversicherung integriert sind, liegt der letzte Besuch beim Zahnarzt oft jahrelang zurück. Ein Leistungsstopp bei Prämienausständen, wie der Kanton Luzern ihn umsetzt, verschärft die Situation zusätzlich. Es sind nur noch Notfallbehandlungen möglich und wir sehen öfters, dass ab diesem Zeitpunkt sogar dringliche Behandlungen nicht in Anspruch genommen werden, einerseits wegen der Hürde der Leistungssperre, andererseits aus Scham.

«Die steigenden Prämien werden in Anbetracht der sinkenden  Einnahmen zu einer immer grösseren Herausforderung.»

Barbara Bracher

Steuern und Prämien als erste Ausstände

Das Einkommen der Ratsuchenden sank in den letzten Jahren kontinuierlich. Die steigenden Prämien werden in Anbetracht der sinkenden Einnahmen zu einer immer grösseren Herausforderung. Steuern und Krankenversicherungsprämien machen den grössten Teil der Schulden unserer Ratsuchenden aus. Menschen in finanzieller Not stellen als Erstes die Begleichung dieser Forderungen zurück. Knapp die Hälfte der Ratsuchenden sind von Prämienausständen betroffen, diese Zahl ist seit 2013 mehr oder weniger konstant. Nur Steuer­forderungen betreffen noch mehr Haushalte, nämlich rund 70 Prozent. Der durchschnittliche Prämienausstand der Haushalte ist seit 2013 von 4669 Franken auf 7640 Franken im Jahr 2019 gestiegen. Der Anteil der Prämienausstände im Verhältnis zu den Gesamtschulden hat im selben Zeitraum ebenfalls fast um das Dreifache zugekommen, der Anteil betrug im vergangenen Jahr 5,5 Prozent.

Wie können Schulden verhindert werden?

Da die Schweiz keine Besteuerung an der Quelle kennt, kann ein Haushalt längere Zeit mit einem aus dem Lot geratenen Budget haushalten und Schulden anhäufen. Die Inanspruchnahme professioneller Hilfe verzögert sich, der Schuldenberg wächst. Das Angebot frühzeitiger Hilfe und eine entsprechende Informationspolitik können diese Schuldenspirale erfolgreich unterbrechen. Hier wäre es hilfreich, wenn beispielsweise Gläubiger wie Krankenversicherer oder Steuerämter nach Gründen fragen und bei ersten Ausständen Hilfe vermitteln würden. Ebenso wichtig scheint uns, dass Transfer­leistungen wie die Prämienverbilligung so ausgestaltet würden, dass die Kosten tragbar blieben. Erleichternd könnte zudem eine aktive Zahlungsplanung mittels Daueraufträgen oder Lastschriftverfahren sein.

Foto: Herbert Zimmermann

Barbara Bracher

engagiert sich seit 2013 als Stellenleiterin und Schuldenberaterin bei der Fachstelle für Schulden­fragen in Luzern. Die Fachstelle für Schuldenfragen ist ein Verein. Die Finanzierung der kostenfreien Beratungen ist sichergestellt durch Bei­träge vom Zweckverband für institutionelle Sozialhilfe und Gesundheitsförderung von Kanton und Gemeinden, Organisationen, Kirchen, Stiftungen, Spendern und Mitgliedern.

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